Diabetes bei Kindern und Jugendlichen

Der jugendliche, insulinpflichtige Diabetes mellitus Typ-1 ist die häufigste Form der Zuckerkrankheit im Kindes- und Jugendalter und gleichzeitig die häufigste Hormonerkrankung dieser Altersgruppe. In Deutschland erkranken jeden Tag vier Kinder unter 15 Jahren an Diabetes.

Weltweit nahm in den Industrieländern während der vergangenen zehn Jahre die Häufigkeit der Neuerkrankungen jährlich um rund drei Prozent zu. In Baden-Württemberg, dem Bundesland mit der zuverlässigsten Dokumentation der Neuerkrankungen, stieg die Erkrankungshäufigkeit von 1987 bis 1999 um 46 Prozent an.

Anzeichen für Diabetes

Ein typisches Anzeichen für eine Diabeteserkrankung ist, wenn ein Kind oder Jugendlicher plötzlich, das heißt innerhalb von wenigen Tagen ungewöhnlich viel Durst hat, und übermäßig viel trinkt. Das Kind beziehungsweise der Jugendliche steht dann auch nachts auf, um zu trinken und zur Toilette zu gehen. Auffällig ist eine Gewichtsabnahme. Der Betroffene ist nicht so fit wie gewohnt und leidet oft unter Konzentrationsproblemen. Ein Arzt kann in der Regel durch Messung des Blutzuckers in kurzer Zeit die Diagnose stellen und den Patien-ten zur Behandlung stationär in ein Kinderkrankenhaus einweisen. Innerhalb weniger Tage gelingt es, den stark erhöhten Blutzuckerspiegel dem Normalbereich anzugleichen. Die Dauer des Aufenthaltes im Krankenhaus richtet sich zunächst nach dem Erfolg der Stoffwechselkontrolle. Wichtiger und letztlich entscheidend für den Zeitpunkt der Entlassung ist die Fähigkeit der Eltern und des Jugendlichen, mit dem Diabetes zu Hause umzugehen. Die Diagnose "Diabetes" ist in der Regel besonders auch für die Eltern ein Schock.

Diagnose: "Diabetes"

Sie sind in den ersten Tagen kaum in der Lage, der Schulung konzentriert zu folgen, um die nötigen praktischen Fähigkeiten zur Behandlung ihres Kindes zu erlernen. Während der Schulung erleben sie in den folgenden Tagen durch praktische Anschauung, dass man den Diabetes gut behandeln kann und sowohl Blutzucker-Selbstkontrolle als auch Insulininjektionen dank moderner Hilfsmittel und -methoden beinahe schmerz- frei und gut in den Alltag zu integrieren sind. Sie bemerken, dass die zukünftigen Einschränkungen im Leben Ihres Kindes in Ihrer Vorstellung weitaus größer waren, als sie es tatsächlich sind.

Insulin-Therapie

Die Therapie des Diabetes bei Kindern und Jugendlichen ist individuell. Ohne Ausnahme benötigen Kinder zur Behandlung ihrer Erkrankung Insulin. Die Anzahl der Injektionen pro Tag richtet sich unter anderem nach dem Alter des Kindes. Vor dem zehnten Lebensjahr kann zunächst versucht werden, die Behandlung mit zwei tägli-chen Injektionen zu beginnen. Bei älteren Kindern und Jugendlichen ist es angebracht, morgens, mittags und abends vor den Hauptmahlzeiten eine individuelle Mischung aus einem schnellwirkenden Normalinsulin und einem Verzögerungsinsulin zu injizieren. Die gemessenen Blutzuckerwerte entscheiden, welche Form der Therapie für das Kind beziehungsweise den Jugendlichen geeignet ist, um dauerhaft einen ausgeglichenen Stoffwechsel zu erzielen. Die Anzahl der täglichen Insulininjektionen charakterisiert nicht zwingend die Qualität der durchgeführten Therapie.

Essen und Trinken: die "Diät"

In der Ernährung des Kindes oder des Jugendlichen mit Diabetes traten in den vergangenen Jahren erhebliche positive Änderungen ein. Für die Betroffenen gelten die Grundsätze einer gesunden Ernährung: Sie sollte kohlenhydratreich und fettreduziert sein. Wie bei Kindern mit einem gesunden Stoffwechsel ist Zucker nicht generell verboten. Bis zu zehn Prozent der Gesamtkalorien eines Tages können als Zucker konsumiert werden, der vorzugsweise "verpackt", das heißt, beispielsweise in Kuchen oder Milcheis, die auch Fett enthalten, gegessen werden sollte.

Generell stellt sich die Frage, ob noch irgendwelche Einschränkungen in der Ernährung von Kindern und Jugendlichen mit Diabetes bestehen. Hierzu lässt sich festhalten, dass auch heute noch auf die Menge der einzelnen Nahrungsmittel bei den Mahlzeiten geachtet werden muss. Nach der Menge der Kohlenhydrate, die z.B. als BE (Broteinheit) abgeschätzt werden können, richtet sich die Dosis des zu injizierenden Insulins. Da besonders Jugendliche mit guten Blutzucker- und HbA1c-Werten, den anzustrebenden Zielen einer modernen Diabetestherapie, eine Tendenz zum Übergewicht zeigen, sind die Gesamtkalorien in der Ernährung zu beachten. Man könnte die eingangs gestellte Frage nach den Einschränkungen in der Ernährung auch dahingehend beantworten, dass Kinder und Jugendliche mit Diabetes alles essen können, dies aber bewusst und maßvoll, wie alle Menschen, die auf eine gesunde Ernährung achten.

Sport ist bestimmt kein Mord

Zurück zum Übergewicht. Die tägliche Kalorienaufnahme ist ein wesentlicher Faktor, der das Körpergewicht bestimmt. In Bezug auf die Regulation des Körpergewichtes hat körperliche Bewegung und insbesondere Sport den gleichen Stellenwert wie Essen und Trinken. So haben praktisch alle vermeintlichen Reduktionsdiäten kaum zur angestrebten dauerhaften Normalisierung des Körpergewichtes geführt, denn ohne Sport wird dieses Ziel nicht zu erreichen sein. Wie oft Sport zu empfehlen ist, wurde von der Weltgesundheitsorganisation WHO, treffend formuliert, nämlich "die meisten Tage der Woche". Diese Tatsache sollte genutzt werden, um den natürlichen Bewegungsdrang von Jugendlichen zu aktivieren und zu stärken. Übrigens: Übergewicht kann gleichermaßen bei Jungen und Mädchen und zwar verstärkt in der Pubertät auftreten.

Diabetes und jugendliches Selbstwertgefühl

Die Folgen von Übergewicht wie z.B. erhöhter Blutdruck interessieren die Jugendlichen nicht. Sie beschäftigt vielmehr ihre Körperwahrnehmung, das "Body Image", das unmittelbare und tägliche Auswirkungen auf ihr Selbstwertgefühl hat. Zu dem Problem des Selbstwertgefühls liegen ausgewogene Untersuchungen vor, die zeigen, dass "Body Image" und die Qualität der Stoffwechselkontrolle bei Jugendlichen mit Diabetes eng zusammenhängen: War der HbA1c-Wert hoch, schätzten sich die Jugendlichen als hässlich, plump und unsportlich ein. Offensichtlich geht eine schlechte Stoffwechseleinstellung auch mit einer negativeren Körperwahrnehmung einher.
Für die Jugendlichen gilt es, die dargestellten Zusammenhänge zu nutzen. Die Aufgabe eines Diabetesteams besteht darin, gemeinsam mit den Patienten und deren Eltern die in der Schulung vermittelten Inhalte im Alltag der Jugendlichen umzusetzen. Das Normalgewicht zu erhalten, das bei Krankheitsbeginn besteht, stellt dabei ein Ziel dar.

Unabhängigkeit von der Familie

Mit zunehmendem Alter nehmen sich Jugendliche vermehrt als eigenständige Menschen wahr. Sie streben Unabhängigkeit von der Familie an, die wünschens- und unterstützenswert ist. Sie wollen und müssen vermehrt Verantwortung übernehmen. Die Meinung von Freunden der Clique hat größeres Gewicht als die Meinung der
Eltern. Konflikte, die sich nur unerheblich von den Konflikten gesunder Jugendlicher unterscheiden, sind vorprogrammiert. Die Qualität der Stoffwechselkontrolle kann, aber muss sich nicht verschlechtern. Der HbA1c-Wert kann im Vergleich zu der Zeit vor der Pubertät um durchschnittlich ein Prozent ansteigen. Da "Body Image" und Selbstwertgefühl im Leben der Jugendlichen eine so große Rolle spielen, ist es nicht verwunderlich, dass es Phasen gibt, in denen die Jugendlichen den Diabetes verleugnen und die erlernten Therapieschritte nicht immer durchführen.

Wo bleibt die Therapie?

Mahlzeiten und Insulininjektionen werden ausgelassen und Blutzuckerwerte geschönt aufgeschrieben, so dass die dokumentierten guten Werte nicht mit den schlechten HbA1c-Werten übereinstimmen. Der vermehrte, verständnisvolle und geduldige Einsatz des Diabetesteams ist gefordert, um die Jugendlichen bei der Überwindung dieser Phase zu unterstützen. Unser Ziel ist es, dass die Betroffenen auch weiterhin verantwortungsbewusst mit ihrem Diabetes umgehen und dabei eine unbeschwerte und gesunde psychische wie körperliche Entwicklung durchleben.